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Forschungsinteressen
Geschlecht und Sexualität (Queer-Anthropologie), innergemeinschaftliche Unterschiede, Community und subkulturelle Räume, Aktivismus, soziale Beziehungen in urbanen Landschaften, gleichgeschlechtliche Partnerschaftsgewalt

Forschungsgebiet(e)
Namibia

Profil

Ich bin Doktorand*in in der Abteilung ‚Anthropologie des wirtschaftlichen Experimentierens‘ und bin Mitglied der von Christoph Brumann geleiteten Arbeitsgruppe ‚Urban Anthropology of the Nearby‘. Ich habe einen Bachelor-Abschluss in Ethnologie und Erziehungswissenschaften von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und einen Master-Abschluss in Gender Studies von der Universität Göteborg in Schweden.

Eines meiner früheren Forschungsthemen waren die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf queeren Aktivismus in Namibia. Räumlichkeit wurde zu einem zentralen Thema, als ich beobachtete, wie LGBTQIA+-Aktivist*innen Räume schufen, wie z. B. Drag Nights, um der Isolation und Not zu begegnen, mit der sexuelle und geschlechtliche Minderheiten konfrontiert waren, nachdem die wenigen Räume, in denen sie sich vor der Pandemie treffen konnten, geschlossen worden und die aufsuchende Community-Angebote eingestellt worden waren. Gleichzeitig blieben diese künstlerischen Versuche, „sicherere Räume“ für die gesamte namibische LGBTQIA+-Community zu schaffen, für weite Teile unzugänglich, was zum Teil auf ihre Lage im urbanen Zentrum Windhoeks und die ungleiche Verteilung finanzieller Mittel zurückzuführen ist. Andererseits wurde ich einmal von namibischen Queers in eine Bar in den informellen Siedlungen am Rande der namibischen Hauptstadt mitgenommen, von der sie behaupteten, sie sei "schwulenfreundlich" (gay-friendly). Nichts deutete auf diese offensichtliche Schwulenfreundlichkeit des Ortes hin, aber während ich nervös war und Feindseligkeit erwartete, schienen sich meine Begleiter*innen, von denen einige sichtbar trans Frauen waren, wohl zu fühlen, und meine negativen Erwartungen wurden nicht erfüllt.

Während meiner Feldforschung für meinen Master kehrte ich nach Namibia zurück, um Gewalt in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu untersuchen. Das Thema erhielt etwas Aufmerksamkeit, als eine Änderung des namibischen Gesetzes über häusliche Gewalt im Jahr 2022 den ausdrücklichen Ausschluss gleichgeschlechtlicher Beziehungen vom Schutz durch das Gesetz nicht beendete, wie von LGBTQIA+-Aktivist*innen erhofft wurde. Obwohl ich mehrere Forschungsteilnehmer*innen interviewte, die in ihren queeren Beziehungen verschiedene Arten von Missbrauch erlebt hatten, wurde das Thema in ihren Gemeinschaften in der Regel nicht viel diskutiert. Ich war vor allem am beklemmenden Schweigen (oppressive silence) über gleichgeschlechtliche Gewalt in Paarbeziehungen interessiert und untersuchte die Ursprünge dieses Schweigens und wie es sich auf die Handlungsfähigkeit der Überlebenden auswirkt. Außerdem konnte ich feststellen, dass es innerhalb der lokalen queeren Gemeinschaften erhebliche Klassenunterschiede gibt, wobei sich eine kleine Gruppe gut ausgebildeter, mobiler queerer Aktivist*innen scheinbar von der Mehrheit abhebt. Während sich einige queere Aktivist*innen und Befürworter*innen regelmäßig auf Konferenzen in Hotels im ganzen Land und manchmal sogar im Ausland treffen, um über die Herausforderungen zu diskutieren, mit denen LGBTQIA+ in Namibia konfrontiert sind, stieß ich im Feld auch auf kritische Stimmen, die diese Konferenzen als „Hotelaktivismus“ (hotel activism) bezeichnen, der keine Veränderungen für die queere Gemeinschaft als Ganzes bewirkt.

All diese unterschiedlichen Räume – Hotels, Drag Nights, Shebeens (informelle Bars) – sind mit Vorstellungen über die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, aber auch über die Klasse verbunden. Auf der Grundlage meiner früheren Forschungsbegegnungen und -erfahrungen möchte ich in meiner Doktorarbeit diese sozioökonomischen Brüche innerhalb der lokalen LGBTQIA+-Gemeinschaften aus der Perspektive der Sozialanthropologie, der Queer-Ökonomie und der urbanen Theorie untersuchen, um ihre kulturelle und intersektionale Komplexität sowie ihre räumliche Reflexion in der urbanen Landschaft zu verstehen. Die Fokussierung auf diese Brüche verhindert, queere Namibier*innen als homogen zu betrachten, sondern bietet stattdessen ein nuanciertes Verständnis der lokalen LGBTQIA+-Vielfalt, die sich in den von den Mitgliedern der Gemeinschaft besuchten physischen und sozialen Räume ausdrückt.

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