"Die Idee des gemeinsamen Lernens ist äußerst attraktiv"
Interview mit IMPRS-Koordinator Patrick Desplat
Die International Max Planck Research School (IMPRS) "Global Multiplicity. A Social Anthropology for the Now" nimmt jetzt im Herbst 2023 ihre Arbeit auf. Wir wollten wissen, was das Besondere an dieser IMPRS ist, wer sich bewerben kann und welche Vorteile sie für Doktorandinnen und Doktoranden bietet. Deshalb haben wir mit Patrick Desplat gesprochen. Er koordiniert dieses Gemeinschaftsprojekt, an dem das MPI für ethnologische Forschung, die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Universität Leipzig und die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg beteiligt sind.
Patrick, seit wann bist Du am MPI und was machst Du hier?
Ich habe im Juli 2023 am MPI angefangen zu arbeiten. Ich bin der wissenschaftliche Koordinator der neuen International Max Planck Research School (IMPRS) "Global Multiplicity. A Social Anthropology for the Now.
Und worin besteht die Koordination dieser IMPRS?
Meine Aufgabe ist es, die organisatorische Infrastruktur der IMPRS aufzubauen. Das heißt, ich koordiniere die beiden Bereiche Wissenschaft und Verwaltung und sorge dafür, dass sich die Doktorandinnen und Doktoranden willkommen fühlen und gut betreut werden. Und ich beteilige mich auch an der Lehre.
Was hast Du vorher gemacht?
Ich bin Ethnologe und habe vor meiner Arbeit am MPI geforscht und gelehrt. Zuletzt habe ich zweieinhalb Jahre lang Professuren in Göttingen und Münster vertreten.
Was reizt Dich an der Aufgabe am MPI?
Ich kann hier eine außergewöhnlich große und ambitionierte Research School betreuen. Es sind neben dem MPI die drei Universitäten in Halle, Leipzig und Erlangen beteiligt. Es ist bisher einzigartig, dass vier große Forschungseinrichtungen eine IMPRS einrichten. Allein diese Konstellation führt zu organisatorischen Herausforderungen, die mich besonders reizen. Ich mag es einfach, wenn komplexe Dinge gut funktionieren und wenn dadurch eine bestimmte Vision von Ethnologie an die nächste Generation weitergegeben werden kann.
Welche Vision von Ethnologie soll in der IMPRS vermittelt werden?
Ethnologie ist eine zentrale Wissenschaft, die dialogisch, vergleichend und gegenwartsbezogen arbeitet. Ihr Anliegen ist es, auf die weltweit drängenden Fragen und Probleme zu reagieren und dazu einen empirisch fundierten Wissensstand auszuarbeiten. Dieses Wissen stellen wir den Menschen zur Verfügung. Damit geben wir den Akteuren Artikulationsmöglichkeiten an die Hand, die vorher nicht in dieser Weise verfügbar waren. Deshalb ist Ethnologie meinem Verständnis nach auch eine politische Wissenschaft. Aber wir machen selbst keine Politik.
An welche drängenden Fragen und Probleme denkst Du dabei?
An alle großen Fragen, die die Menschen nicht erst seit heute beschäftigen: Wie leben wir mit dem Klimawandel? Wie gehen wir mit den verschärften Grenzziehungen um? Welche langfristigen Folgen entstehen durch koloniale Herrschaft oder wachsende soziale Ungleichheiten? Wie entstehen Zugehörigkeiten und Identitäten?
Lass uns noch einmal zur IMPRS selbst zurückkommen. Was genau zeichnet eine IMPRS aus?
Im Gegensatz zu vielen anderen Wegen zur Promotion basiert die Ausbildung in einer IMPRS auf verbindlichen Lehrplänen, die Einbettung in ein internationales Netzwerk und auf einem umfassenden Programm, das Soft-Skills vermittelt und bei der Karriereplanung hilft. Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist die Betreuung durch Thesis Advisory Committees. Das heißt, die Promovierenden werden nicht nur von einem einzigen Betreuer begleitet, sondern von drei oder vier erfahrenen Wissenschaftlern.
Wer kann sich bewerben?
Wenn die formalen Voraussetzungen für die Zulassung zur Promotion erfüllt sind, kann sich jeder bewerben, dessen fachliches Profil passt und der Interesse an unserem Forschungsprogramm hat.
Welche Vorteile bietet eine IMPRS für Promovierende?
Eine strukturierte Ausbildung, die über die individuelle Forschung hinausgeht. Die Idee des gemeinsamen Lernens in einer festen Gruppe ist sehr attraktiv. Ähnliche Herausforderungen und der Austausch von Erfahrungen schaffen ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Die Promovierenden können darüber auch erste internationale Netzwerke aufbauen. Und natürlich bietet eine IMPRS die Möglichkeit hochrangiger Forschung.
Was ist das Besondere an der neuen IMPRS am MPI?
Die Breite des Themas und die Größe mit bis zu 40 Promovierenden ist außergewöhnlich.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den drei Universitäten in Halle, Leipzig und Erlangen organisiert?
Das MPI ist das organisatorische Zentrum, aber es wird natürlich auch Veranstaltungen an den anderen Standorten geben. Auf diese Weise sind alle Beteiligten in den laufenden Betrieb der IMPRS eingebunden. Außerdem treffen sich die Mitglieder der Teaching Faculty und des Programm-Komitees regelmäßig, um sich zu beraten und um sich abzustimmen.
Du hast selbst geforscht, ehe Du nach Halle kamst. Bleibt dafür jetzt noch Zeit?
Um neue Projekte zu beginnen, habe ich jetzt natürlich keine Zeit mehr. Die IMPRS erfordert meine volle Aufmerksamkeit. Aber ich versuche, noch ein paar Dinge zum Abschluss zu bringen: Ich stelle beispielsweise das Buch zu meiner Habilitation fertig. Ich habe mich dabei mit Neiddiskursen unter Jugendlichen beschäftigt. Und dann arbeite ich noch an einem Aufsatz über okkulte Infrastrukturen. Dabei geht es um die materiellen Voraussetzungen bestimmter gewaltsamer Gerüchte, wie beispielsweise den Organhandel in Madagaskar.
Was sind die nächsten Schritte?
Die Lehre beginnt jetzt, die Webseiten müssen laufend ergänzt und die IMPRS-Springschool im März 2024 muss vorbereitet werden.