Konfliktregulierung in Deutschlands pluraler Gesellschaft

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Zum Forschungsprojekt

Das Gesamtprojekt nimmt soziorechtliche Praktiken der Konfliktregulierung ausgewählter Einwanderungsgemeinschaften Deutschlands im Rahmen eines etatistisch ausgestalteten Rechtsrahmens in den Blick. Rechtstheoretische Ansätze werden dabei mit gegenwärtigen Rechtspraktiken ins Verhältnis gesetzt. Hierzu finden sich weiterführende Informationen im Working Paper Konfliktregulierung in Deutschlands pluraler Gesellschaft: „Paralleljustiz“? – Konzeptioneller Rahmen eines Forschungsprojekts

Forschungsrahmen
Die Untersuchungsfelder gerichtlicher und außergerichtlicher Konfliktregulierungen werden in zwei Forschungslinien erforscht: einer auf ausgewählte Gemeinschaften fokussierenden Forschungslinie (Fokusgruppenforschung) und einer, die den prozessualen Umgang staatlicher Einrichtungen nachgeht (Organisationsforschung).

Forschungslinien
Die Fokusgruppenforschung beschäftigt sich mit außergerichtlichen Praktiken von Konfliktregulierungen von Teilen der in Deutschland lebenden Bevölkerung werden oftmals nur vermutet, können aber häufig nicht nachgewiesen werden. In der Fokusgruppenforschung werden die den Praktiken zugrunde liegenden soziorechtlichen Prozesse innerhalb der komplexen und pluralen deutschen Gesellschaft untersucht. Ein Schwerpunkt der Forschungslinie liegt auf der Analyse von außergerichtlichen Konfliktregulierungen in ausgewählten Gemeinschaften mit afghanischer, georgischer, irakischer, libanesischer, syrischer, russischer, türkischer und tschetschenischer Provenienz.

Die Organisationsforschung entspringt einer Anfrage des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen eine Studie zum strafprozessualen Lagebild in Nordrhein-Westfalen zu erstellen. Diese Studie wird aufseiten der Justiz vom Zentrum für Interkulturelle Kompetenz des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen koordiniert. In dieser Forschungslinie soll Verdachtsmomenten von außergerichtlichen Praktiken nachgegangen werden, welche in Verfahren der Ermittlungsbehörden und der Justiz aufgekommen sind. Von Interesse ist dabei, an welchen Stellen der Verfahrensabläufe Indizien verortet wurden und mit welchen strafprozessualen Mitteln diesen unter Umständen begegnet wurde.

Die von der Fokusgruppenforschung getrennte Organisationsforschung basiert primär auf Aktenanalyse und Expert*innen-Interviews in Ermittlungsbehörden und Gerichten, um strafprozessuale Verfahrensstrategien zu analysieren. Hierzu ist im März 2022 die Studie Paralleljustiz in Nordrhein-Westfalen aus strafrechtlicher Sicht (PDF) in Kooperation mit dem Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen erscheinen.

Teilprojekte der Fokusgruppenforschung

Rechtsstrukturen und Konfliktregulierungsmechanismen innerhalb der russischsprachigen Bevölkerungsgruppen
Mahabat Sadyrbeks Forschungsvorhaben zielte auf eine umfangreiche empirische Studie über die Rechtsstrukturen und Konfliktregulierungsmechanismen innerhalb der russischsprachigen Gemeinschaften in Deutschland. Ihr besonderes Interesse galt dabei den Minderheitengruppen aus der kaukasischen Region. Sie beschäftigte sich mit den Fragen, welche Konstellation der Rechtsverhältnisse die Menschen aus den Ursprungsländern mitgebracht haben, von welchen Quellen diese Rechtsstrukturen geprägt sind und wie diese sich im deutschen bzw. europäischen Rechtskontext positionieren.

Konfliktregulierungsmodalitäten und Rechtsbewusstsein in den jesidischen Gemeinschaften
In seinem Projekt ging Cengiz Barskanmaz der Frage nach, welches Rechtsbewusstsein und welche Rechtsvorstellungen den Konfliktregulierungsmodalitäten bei den Angehörigen der jesidischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland zugrunde liegen. Das Rechtsbewusstsein und die Rechtsvorstellungen beziehen sich hauptsächlich auf den Gerechtigkeitssinn, die rechtlichen und normativen Werte, die religiös-ethischen Grundsätze und die Modelle der Interpretation der Gesetze, die für den sozialen Zusammenhalt und die Gruppenbildungsprozesse konstitutiv sind.

Legalitäts- und Legitimationsmuster kulturell geprägter Streitbeilegung unter Angehörigen der Mḥallamīya
Mahmoud Jaraba erforschte in seinem Projekt die Arten alternativer Konfliktregelungsmechanismen unter Angehörigen der sogenannten Mḥallamīya in Deutschland. Er analysierte die wichtigsten Akteure und Mechanismen sowie die sozioökonomischen Schichten, welche mit Geschichte, Wertekanon, Leitprinzipien, Symbolen, Ritualen, traditionellen Volksweisheiten, Legenden und Mentalitäten verflochten sind. Diese Diversifizierung der Legitimationsmuster sollte es ihm ermöglichen, diese Konfliktbeilegungs- und Konfliktschlichtungsformen mit dem offiziellen bzw. staatlich gesetzten Recht in Beziehung zu setzen.

Transnationalismus und inoffizielles Recht im kurdischen Kontext
Latif Tas konzentrierte sich auf die vielfältigen Rechtspraktiken, die auf unterschiedlichen normativen Wahrnehmungen in den kurdischen Gemeinden in Berlin und Diyarbakir (Türkei) basieren. Der Schwerpunkt seiner Forschung lag auf familiären und transnationalen Fällen, mittels derer untersucht wurde, in welcher Form geschlechtsspezifische Normen und Beziehungen von der Anwendung nichtstaatlicher Justizprozesse betroffen sind und welche praktischen Konsequenzen nichtstaatliche Rechtsordnungen für die Rechte der Frau und die Geschlechterverhältnisse haben.

Normative Ordnungen innerhalb der afghanischen Gemeinschaften
Das Forschungsprojekt von Afrooz Maghzi konzentrierte sich auf die divergierenden normativen Ordnungen innerhalb von Gemeinschaften afghanischer Herkunft. Das Projekt ging der Frage nach, wie der deutsche Staat angemessen auf das Aufeinandertreffen von normativen Praktiken der afghanischen Gemeinschaften und staatlichem Recht reagieren kann. Dafür sollte mittels einer vergleichenden Untersuchung aufgezeigt werden, wie unterschiedlich auch in Kanada und Großbritannien auf die besonderen Bedürfnisse der Minderheiten eingehen und dadurch den Aufbau einer konstruktiven Beziehung zu den staatlichen Institutionen vonseiten der afghanischen Gemeinschaften fördern können.

Familienkonflikte innerhalb syrischer Familien in Deutschland
Das Forschungsprojekt von Kutaiba Kaidouha konzentrierte sich auf verschiedene Formen von Konflikten innerhalb syrischer Familien in Deutschland. Das Projekt untersuchte die rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und bildungspolitischen Wandlungsprozesse und Herausforderungen, denen sich syrische Familien heute gegenübersehen. Dies gilt insbesondere für Herausforderungen, welche zu Spannungen innerhalb der syrischen Gemeinschaften in Deutschland führen. In seiner Forschung konzentrierte er sich auf die Strukturen der syrischen Gemeinschaften (d.h. Familienbande, Familienstrukturen) und ihre normativen Grundlagen (d.h. religiöse Vorstellungen, soziale Werte, kulturelle Bräuche), die zusammen eine wichtige Rolle in Prozessen der Konfliktregulierung spielen.

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