Cultural Diversity in Private Law
Die Leiterin der Forschungsgruppe, Mareike Schmidt, beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren mit Fragen der kulturellen Vielfalt im Privatrecht. Ihre aktuellen persönlichen und Gruppenprojekte schärfen diesen Fokus.
1. Die Rolle der Kultur in Kernbereichen des deutschen Privatrechts
- Dauer: 2019–2025
- Teilweise finanziert durch ein Stipendium des Käte Hamburger Kollegs „Recht als Kultur“, Bonn (10/2021–03/2022)
Dieses Projekt untersucht kulturelle und religiöse Vielfalt in einem Rechtsgebiet, das in dieser Hinsicht bisher fast völlig unerforscht ist, nämlich im allgemeinen Vermögensprivatrecht des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches. Um die praktische Relevanz von Fragen der kulturellen und religiösen Vielfalt in diesen Bereichen zu beurteilen, besteht der Kern dieses Projekts darin, das Auftreten und den Umgang mit derartigen Aspekten in der Gerichtspraxis zu erfassen. Um dies zu erreichen, verbindet Schmidt die Inhaltsanalyse (eine sozialwissenschaftliche Methode) mit grundlegenden und dogmatischen Ansätzen des Rechts und erweitert damit auch den Umfang der traditionellen juristischen Forschungsmethoden.
2. CUREDI – Kulturelle und religiöse Vielfalt in den staatlichen Rechtsordnungen Europas (Cultural and Religious Diversity under State Law across Europe)
Seit 2020 ist Mareike Schmidt Partnerin im Projekt CUREDI und trägt Anmerkungen zu deutschen Gerichtsentscheidungen zum Schuld- und Sachenrecht bei. Sie ist außerdem Mitglied des Redaktionsausschusses.
3. Kulturelle Einbettung des Schuldrechts
- Dauer: 2024–2028
Die Untersuchung der kulturellen Einbettung des Schuldrechts ist eines der Schlüsselprojekte der Forschungsgruppe. Ziel ist es, zur Verbesserung von Rechtswissenschaft und -praxis in Bezug auf die Anwendung des Schuldrechts (hauptsächlich auf Verträge und unerlaubte Handlungen) in kulturell vielfältigen Gesellschaften beizutragen. Das Projekt geht von der Überzeugung aus, dass der Umgang mit kultureller Vielfalt und das Erreichen einer gerechten und inklusiven Anwendung des Schuldrechts über eine angemessene Berücksichtigung (reasonable accommodation) des „Anderen“ hinausgehen muss, indem beispielsweise Personen „aus anderen Kulturen“ Ausnahmen von den üblichen Regeln gewährt werden. Wir möchten sowohl aus theoretischer Sicht verstehen, wie die Anwendung des Schuldrechts (oft unmerklich) durch die von der Mehrheitsgesellschaft geteilten Normalitätsvorstellungen geprägt wird, als auch empirisch erforschen, wie Jurist:innen (hauptsächlich Richter:innen und Anwält:innen) mit dieser kulturellen Einbettung in ihren jeweiligen Streitigkeiten und Verfahren umgehen. Auf dieser Grundlage werden wir dann das Potenzial und die Grenzen der Einbeziehung kultureller Vielfalt untersuchen – mit anderen Worten, die Möglichkeiten für eine kultursensible Anwendung des Schuldrechts ausloten.
Das Projekt ist an der Schnittstelle von Rechtsdogmatik, Rechtstheorie und empirischer Rechtsforschung angesiedelt. In theoretischer Hinsicht wollen wir zwei wichtige Diskussionen zusammenführen: (1) den Diskurs über Recht als Kultur, zusammen mit anderen theoretischen und dogmatischen Perspektiven, die bei der Erkundung der kulturellen Einbettung des Schuldrechts und seiner Anwendung helfen können; und (2) die Suche nach einer angemessenen Berücksichtigung (reasonable accommodation) der kulturellen Vielfalt im Schuldrecht. Die empirische Komponente des Projekts wird untersuchen, wie Jurist:innen in ihrer Berufspraxis mit der kulturellen Einbettung des Schuldrechts umgehen. Dies soll mit verschiedenen qualitativen Methoden geschehen, darunter die Analyse von Gerichtsakten und Interviews mit Rechtspraktiker:innen.
Die Ergebnisse des Projekts sollen eine Grundlage für die Entwicklung der Rechtsdogmatik und von Methoden der gerichtlichen Entscheidungsfindung bilden, die für kulturell vielfältige Gesellschaften geeignet sind, insbesondere um eine reflektierte Praxis in Bezug auf die Positionalität des Rechts und von Jurist:innen zu ermöglichen. In einem breiteren Kontext befasst sich das Projekt daher mit grundlegenden Fragen der Integration und der Chancengleichheit für alle Mitglieder kulturell vielfältiger Gesellschaften.