MPI-Gruppenleiter Hatem Elliesie nimmt Ruf auf Professur in Leipzig an
Dr. Hatem Elliesie, langjähriger Gruppenleiter in der 'Abteilung Recht & Ethnologie' am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, hat zum 1. August 2024 den Ruf auf die Professur für Islamisches Recht an der Universität Leipzig angenommen. Wir haben ihn gefragt, welche neuen Aufgaben nun auf ihn zukommen und was er in Zukunft vorhat.
Hatem, herzlichen Glückwunsch zur Berufung auf die Professur für Islamisches Recht an der Universität Leipzig. Welches Profil hat diese Professur und was sind Deine Schwerpunkte in der Lehre?
Vielen Dank, ich freue mich natürlich sehr über die Berufung auf diese Professur, die ich vorher schon einige Zeit vertreten habe. Der Hauptschwerpunkt liegt der Denomination folgend, auf dem klassischen islamischen Recht. Allerdings nicht nur unter einer rechtshistorischen Lupe, sondern auch in Bezug auf gegenwärtige Lebens- und Rechtspraxen. Das gilt insbesondere für die Lehrveranstaltungen im Grundstudium. Diese werden von Studierenden mit verschiedensten fachlichen Vor- und Ausbildungen besucht. Gerade weil die Interessen so unterschiedlich ausgeprägt sind, werde ich ein studienorientiertes Lehrportfolio anbieten. Das postgraduale Studium baut darauf auf. Hier werden dann globalgeschichtliche Verflechtungsmuster und rechtsvergleichende Aspekte vertieft.
Und welche Pläne hast Du in der Forschung?
In der Forschung möchte ich in Fortsetzung meiner Tätigkeit in der ‚Abteilung für Recht und Ethnologie‘ am MPI neben dem für eine solche Professur in Deutschland typischerweise philologischen und rechtswissenschaftlichen Ansätzen, sozialwissenschaftliche und wirtschaftswissenschaftliche Komponenten einbinden. Bereits in Arbeit befindliche Lehrbücher sollen dabei die Brücke zwischen meinen inter- und multidisziplinären Forschungserkenntnissen und dem von didaktischen Erwägungen geleiteten Lehrengagement schlagen. Mir geht es also um ein sehr forschungsnahes Lehren und Lernen.
Du hast die Professur bereits seit dem Sommersemester 2021 vertreten. Was ändert sich für Dich durch die Berufung?
Durch die mehrsemestrige Vertretung konnte ich mich in die Lehre und Studierendenbetreuung schon peu à peu einarbeiten. Der Übergang von der reinen Forschung am MPI zu der stärker am Lehrbetrieb ausgerichteten Universität Leipzig verlief insoweit fließend. Dass der Dienstantritt in die vorlesungsfreie Zeit fiel, erleichtert mir zudem den offiziellen Start. So kann ich mich in die anstehenden universitären Selbstverwaltungsaufgaben und den an einer Hochschule andersartigen administrativen Strukturen mit mehr Ruhe einfinden. Eine deutliche Veränderung in der Arbeitstaktung und -verteilung wird dann sicherlich der Semesterrhythmus mit sich bringen.
Was ändert sich noch?
Im Vergleich zu meiner parallel ausgeübten Gruppenleiterfunktion am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle und der Nachwuchsgruppenleiterfunktion an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist die geringere Personalverantwortung spürbar. Schon vor der Berufung wurde mir allerdings klar, dass dafür das Aufgabenspektrum umfassender ist. Durch die jetzt mögliche selbstbestimmtere Arbeitsweise empfinde ich das jedoch nicht als belastend. Dabei mag auch meine Aus- und Fortbildung der letzten Jahre im Wissenschaftsmanagement eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.
Lass uns noch mal auf die Forschung zurückkommen. Hast Du schon grundsätzlich neue Ziele und konkrete Pläne für Deine künftige Forschung?
Zunächst möchte ich natürlich an der Universität Leipzig auch meine Kenntnisse und Erfahrungen im Wissenschaftsmanagement einbringen und in der Hochschullehre an Weiterentwicklungsprozessen mitwirken. In der Forschung möchte ich mich weiter vertiefend mit den Facetten des sogenannten Islamic Finance befassen, weil insbesondere in diesem Finanzsektor unterschiedlichste wissenschaftliche Disziplinen mit der Banken- und Versicherungswirtschaft in einem intellektuell innovativen und dynamischen Austausch stehen. In Deutschland leite ich seit 2018 den einschlägigen Arbeitskreis ‚Islamic Finance‘ der Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht, deren 1. Vorsitzender ich bin. In dieser Gesellschaft, wie auch in der Gesellschaft für afrikanisches Recht, zu deren 1. Vorsitzender ich ebenfalls 2023 gewählt wurde, will ich über meine individuellen Forschungsschwerpunkte hinaus, gemeinsam mit Kolleg:innen fachwissenschaftliche Themen gestalten und neue Formen und Foren des Austauschs für die jeweiligen Fachcommunities schaffen.
Wie wirst Du der Max-Planck-Gesellschaft und dem MPI für ethnologische Forschung verbunden bleiben?
In der Abteilung ‚Recht und Ethnologie‘ bin ich weiterhin Forschungspartner und stelle mit der Direktorin Marie-Claire Foblets derzeit einige Publikationen fertig, die auf der langjährigen Arbeit in unseren beiden Forschungsprojekten basieren. Thematisch behandeln wir dabei zum einen den Bereich, der in Deutschland unter dem Begriff ‚Paralleljustiz‘ diskutiert und international als ‚Alternative Dispute Resolution’ bezeichnet wird. Zum anderen geben wir Einblicke in Forschungen, die sich mit den Aspekten ‚Islam, Law and Anthropology‘ primär in europäischen Kontexten beschäftigt haben. An diesen geografisch hauptsächlich auf Deutschland und Europa bezogenen Kontexten beteiligen sich nicht nur Wissenschaftler:innen, sondern auch Rechtspraktiker:innen aus dem In- und Ausland, um möglichst vielfältige Sichtweisen einzubeziehen. Um gesellschaftliche, kulturelle und nicht zuletzt religiöse Vielfalt wird es auch in Zukunft gehen. Hierzu tragen wir zu Forschungskonsortien bei, wie dem ‚Comparative Procedural Law and Justice‘ Projekt, das von Luxemburg aus geleitet wird. Darüber hinaus arbeiten wir bereits an anknüpfenden (Verbund-)Projektvorhaben.
Arbeitest Du in diesem Zusammenhang auch mit dem Max-Planck-Law-Netzwerk zusammen?
Ja, im Rahmen der ‚Law and Africa Initiative‘ des Max-Planck-Law-Netzwerkes organisiere ich gemeinsam mit Isaac Kundakogo Kunko vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb Lecture Series, Workshops und Tagungen. In diesem Jahr wird ein Workshop zu ‚Legal Research in African Contexts‘ an der Universität Leipzig und eine internationale Konferenz zu ‚Trust and Law in Africa‘ am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg stattfinden. 2025 werden wir weitere Veranstaltungen anbieten.
Und wirst Du demnächst auch eine Antrittsvorlesung anbieten?
Ich habe in der Tat vor, eine Antrittsvorlesung an der Universität Leipzig zu halten – allerdings erst im Sommer nächsten Jahres.